(LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2009, Az: 2-24 S 140/09)Für die Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651e Abs. 1 BGB kann nicht auf starre Prozentsätze einer fiktiven Reisepreisminderung wegen vorhandener Mängel abgehoben werden.
Eine Minderungsquote von 20% (hier: wegen den Fehlens eines bei der Buchung zugesagten Balkons eines Hotelzimmers) allein ist kein Indiz für eine erhebliche Reisebeeinträchtigung. In Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte ist eine fiktive Minderungsquote von 35% tauglich, um die Voraussetzungen für eine Kündigung ausreichend, aber nicht zu sehr, zu erschweren.
Die Kammer schließt sich nunmehr der Auffassung an, dass zur Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651 e I 1 BGB nicht lediglich auf starre Prozentsätze abgehoben werden kann, sondern vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen ist. Danach gilt im Anschluss an die BGH-Rechtsprechung nach der nunmehrigen Rechtsprechung der Kammer der Grundsatz, dass in welchem Maße ein Mangel die Reise beeinträchtigt, auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen ist. Maßgebend ist vor allem auch, ob dem Reisenden die Fortsetzung der Reise angesichts der Reisemängel zumutbar ist. Jedoch ist die Kammer weiterhin der Auffassung, dass (fiktive) Minderungsquoten bei der Beurteilung der erheblichen Beeinträchtigung bei einer Gesamtwürdigung der Umstände berücksichtigt werden können. So geht auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main davon aus, dass fiktive Minderungssätze durchaus ergänzend herangezogen werden können und als Anhalt dienen. Nach Auffassung der Kammer stellt die (fiktive) Minderungsquote nämlich einen tauglichen Indikator bzgl. der Beeinträchtigung der Reise dar. Darüber hinaus bietet die Quantifizierung auch eine gewisse Rechtssicherheit.
Danach hält es die Kammer für sachdienlich auch im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtwürdigung einer bestimmten (fiktiven) Minderungsquote eine Indizwirkung für das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651e I 1 BGB zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang hält es die Kammer im Hinblick auf eine (fiktive) Minderungsquote bei § 651 e I 1 BGB für angezeigt, eine Annäherung zur Regelung des § 651 f II BGB herzustellen. In beiden Vorschriften wird auf eine „erhebliche Beeinträchtigung“ abgestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (Urteil v. 31.08.2006, RRa 2007,69ff.; Urteil v. 07.12.2007, RRa 2008, 76ff.) liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651f II BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50 % gerechtfertigt ist. An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest.
Dagegen vertritt die Kammer nunmehr die Auffassung, dass im Hinblick auf § 651 e BGB zu beachten ist, dass die durch eine Kündigung herbeigeführte Beendigung des Vertrages so einschneidend ist, dass sie nur unter erschwerten Voraussetzungen zugelassen werden sollte (vgl. auch MüKo-Tonner, BGB, 5. Aufl., 2009, § 651 e, Rn. 9). Aufgrund dessen hält die Kammer nunmehr die zuletzt vertretene Minderungsquote von 20 % für zu gering, als dass ihr eine Indizwirkung für eine erhebliche Beeinträchtigung zugesprochen werden könnte. Nach einer Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte hält die Kammer eine (fiktive) Minderungsquote von 35 % für tauglich, um die Voraussetzungen für eine Kündigung ausreichend aber auch nicht zu sehr zu erschweren.
Danach ist davon auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651 e I 1 BGB vorliegt, wenn dem Reisenden auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung eine Fortsetzung der Reise nicht zumutbar ist, wobei die Unzumutbarkeit regelmäßig bei einer (fiktiven) Minderungsquote von 35 % indiziert ist. Es ist aber nochmals zu betonen, dass die Feststellung einer (fiktiven) Minderungsquote nicht von einer umfassenden Gesamtwürdigung der Umstände entbindet. Es handelt sich gerade nicht um eine starre Prozentgrenze, sondern es kommt immer auf den Einzelfall an.
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt in dem fehlenden Balkon keine erhebliche Beeinträchtigung vor. Der nicht vorhandene Balkon ist nach einer Gesamtwürdigung der Umstände nicht so erheblich, dass er das Verbleiben der Klägerin und ihres Mitreisenden im gebuchten Hotel unzumutbar gemacht hätte.